Der Umgang mit den natürlichen Ressourcen - welches Verhältnis Wirtschaft, Staat und Gesellschaft zu diesem Thema prägt - ist ein Gesprächsdauerbrenner. Da ist vorerst jene kühne These, die postuliert, die Schweiz könne und solle eine Vorreiterrolle einnehmen bezüglich sauberer Technologien, nicht als „Gutmenschen“, sondern um international ein „Know-how-Made in Switzerland“ zu entwickeln, ähnlich der Uhrenindustrie – mit Innovationen, Mut und industriellem Pioniergeist. Diese Entwicklung wäre auch teilweise mit staatlichen Mitteln zu fördern, im eigenen Landesinteresse sozusagen. Gerade dieser Mitteleinsatz aber wird vehement abgelehnt von der Economiesuisse, dem grossen Unternehmensverband. Die Diskussion könnte dadurch entschärft werden, dass vorerst alte, überholte Cliché-Vorstellungen entsorgt würden.
Da behauptet doch allen Ernstes Urs Näf (Economiesuisse) in einem Gespräch mit Nick Beglinger (Swissclentech), «… die Schweiz hat im Klimaschutz bereits sehr viel getan», und «… aber nur das, was sich am Markt bewährt, wird sich durchsetzen können.» Was sollen diese Ausflüchte? Die extrem zögerliche Haltung ist vor dem brisanten Hintergrund schwer verständlich. Klimawandel und die wachsende Einsicht, dass Erdöl, Kohle, Gas und Uran erschöpflich sind, steigern in der Bevölkerung die Akzeptanz erneuerbarer Energien. Wenn heute 68% des Energiebedarfs unseres Landes mit fossiler Energie gedeckt wird, ist dieser Zustand auch aus politischer Sicht höchst bedenklich. Wir sind erpressbar. Die Antwort des Economiesuisse-Vertreters auf diese ungemütliche Situation: «Wichtig ist, dass die Spiesse international gleich lang sind. Andere Länder, auch in Europa, haben viel weniger gemacht als die Schweizer Wirtschaft.»
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat verlässliche Zahlen zur Hand: Pro Kopf verbraucht unser Land 12.5 Tonnen CO2-eq (inkl. grauer Energie) und liegt damit im OECD-Durchschnitt. Betrachtet man die Zahlen nur für den Privatverkehr und die Raumwärme, gehört unser Land überhaupt nicht zu den Musterschülern innerhalb Europas, im Gegenteil: Bei den Personenwagen ist sie unter den Schlusslichtern und bei den Heizungen hinkt sie im Vergleich zu skandinavischen Ländern deutlich hinterher. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Schweiz im Klimaschutz bereits „sehr viel“ getan hat.
Es ist bedauerlich, dass bei der Economiesuisse mit Worthülsen und Ausweichmanövern argumentiert wird. Damit wird die grosse Chance, dass sich die Schweiz weltweit einen Expertenruf auf dem Cleantech-Gebiet erarbeitet, notabene mit grossem (Export-) Potential, verschlafen. Dass Staatsinterventionen (Subventionierung von Start-ups oder Fördergelder in Cleantech) in bürgerlichen Kreisen immer noch mit linker politischer Positionierung, der unter allen Umständen entgegengehalten werden muss, gleichgesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar. Wann endlich geht diesen Kreisen ein Licht auf? Wenn der Strom ausgeht, wie die Strom-Lobby seit Jahren suggeriert? Dann wohl gar nie.
Bei der Zukunftsdiskussion über saubere Energie und nachhaltiges Wirtschaften brauchen wir visionäre Ideen, wie sie ein Hayek vertritt, keine ideologischen, rückwärtsgerichteten Verteidigungsplädoyers. Wie könnte es sein in 20 oder 30 Jahren? Wollen wir gemeinsam – Wirtschaft, Politik, Gesellschaft - einen gewaltigen Effort leisten, um Klimaschutz zu fördern und Energieabhängigkeit zu mindern? Um uns ein neues Exportbein aufzubauen? Weder kleinkariertes Vorrechnen von falschen und richtigen Standpunkten, noch das Gegeneinander-Ausspielen von Staat und Privatwirtschaft sind lösungsorientiert und bringen uns weiter.
Noch gar nicht berücksichtigt bei dieser Diskussion sind die Auswirkungen des Schadstoffausstosses auf die Gesundheit des Menschen. Dass es auch bei dieser Reduktion nicht ohne strengere gesetzliche Vorschriften geht, ist in Fachkreisen unumstritten. Eine Studie der CS legt offen, dass sich auch hier die Kosten für einschneidende Massnahmen durch den erzielten Gesamtgewinn mehr als kompensiert werden. Mit über 350 Milliarden US-Dollar sind die jährlich in den USA, in Europa und China durch Luftverschmutzung verursachte Kosten extrem hoch. Auch hier also ein wirtschaftlicher Zukunftsmarkt. Ausgeklügelte, schadstoffspezifische Technologien zu entwickeln, zu investieren in Technologievorreiter lohnt sich bewiesenermassen.
Zur Anregung von gedanklicher Szenario-Arbeit: Allein die Sonne strahlt jährlich 40 000 Milliarden Kilowattstunden auf das Gebiet der Schweiz. Das ist rund 220-mal mehr Energie, als die gesamte Schweiz verbraucht. Da drängt sich doch wohl ein gewisser Handlungsbedarf auf? Erstmals gibt es dank der Kooperation von fünf Schweizer Fachhochschulen ein MAS-Studienangebot in nachhaltigem Bauen. Solche Initiativen sind grossartig. Sie beweisen, dass die Energiewende als Chance verstanden wird. Schweizer Forscher sind top bei der Entwicklung der dünnschichtigen Solarzellen der Zukunft. Dass solche Initiativen staatlich gefördert werden ist sinnvoll (man denke an die milliardenschwere Rettung der UBS), Gebäudesanierungsprogramme haben zudem eine multiple Wirkung: Sie sind Konjunktur stützend und Klima schützend. Es braucht also dreierlei: Private Initiative, politischen Willen und wirtschaftliches Denken.