Die jüngsten Erfahrungen in Bundes-Bern haben bestätigt: Die politische Schweiz stolpert rückwärts blickend in die Zukunft. Die Gestaltung der Schweizer-Zukunft ist dem Zufall überlassen. Es bestehen kaum Vorstellungen über möglichen Zukunfts-Szenarien, was die politischen Strukturen betreffen. Die energetische Sanierung des Schweizer-Hauses ist noch nicht mal im Planungsstadium. Wir seien doch mit diesem Prinzip des Abwartens immer gut gefahren, meinen Sie? Mag sein, fast immer. Doch mit dem Einbrauch der Zeit in unser Leben – das IT-Zeitalter begann so richtig vor rund 30 Jahren – hat sich die Veränderungsgeschwindigkeit der Welt unglaublich erhöht. Die realisierte Gleichzeitigkeit des Internets hat in kurzer Zeit bei den grossen Schweizer-Unternehmen und vielen KMUs zu völlig neu konzipierten Führungs- und Arbeitsmodellen geführt. Doch auf der Stufe des beschaulichen politischen Alltags blieben die Konsequenzen einer Welt, dich sich rasend schnell verändert, bisher weitgehend aus. Das Bild des Global-Village ist in unserem politischen Denken noch nicht angekommen.
Reformbedarf besteht also vorab in dreierlei Hinsicht: Die Kleinräumigkeit der kommunalen und kantonalen Strukturen unseres Landes ist mit dem Dahinschmelzen der Distanzen (Globalisierung) zum Standortnachteil mutiert, insbesondere, was die räumliche Zuständigkeit und damit die optimale Handlungsgrösse betreffen. Die Trägheit der politischen Entscheidungen (Vernehmlassungen, Referenden) ist mit der zeitlichen Verkürzung (IT-Technologie) zum Lösungsverzögerer, wenn nicht -verhinderer geworden. Das System der politischen Parteien, deren hierarchischen Strukturen und oft ideologischen, polarisierenden Leitbildern, ist rund 150 Jahre alt und gefährdet sich selbst Dass wir uns diesen epochalen Stillstand auch finanziell nicht mehr leisten können, wird in den nächsten Jahren aufbrechen: All die Mehrspurigkeiten, Blockaden und endlosen Diskussionen kosten das Land Milliarden, die als Investitionen in die Zukunft dringend gebraucht würden.
Es muss etwas geschehen, spüren wir. Wir müssen anders denken, ahnen wir. Wir müssen auf diesen drei Ebenen handeln: Dazu stellvertretend einige wenige Beispiele, um persönliche Gedanken anzustossen.
Raumfaktor: Auf einer Fläche von 40'000 km2 leben in unserem Land 7,5 Mio. Menschen (zum Vergleich: Die Bevölkerung der Stadt London zählt ebenfalls 7,5 Mio, auf 1579 km2). Wir leisten uns, neben den 26 kantonalen Regierungen und Verwaltungen u.a. eine Bundesverwaltung (33'290 Personen), "koordiniert" durch 32 kantonale Regierungs- und Direktorenkonferenzen, 311 kantonale Konkordate, 1444 Zweckverbände, 502 kantonale Beamtenkonferenzen (8300 Personen). Die kantonalen Verwaltungen beschäftigen geschätzte 160'000 Personen.
Zeitfaktor: Seit über sechs Jahren diskutiert die Bevölkerung in 26 Kantonen unabhängig von einander ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und stimmt darüber ab. Als wäre Rauchen da schädlicher als dort, ist es inzwischen in sieben Kantonen verboten, in 12 Kantonen sind Volksabstimmungen oder Gesetzesentwürfe hängig, in drei Kantonen steht die Einführung bevor und im Rest der Schweiz studiert man darüber nach. Derweil steht die Bundeslösung vor der Tür.
Scharnierfaktor: Es gibt in der Politlandschaft Schweiz 180 Kantonalparteien, die in 5000 Lokalparteien fragmentiert sind, doch insgesamt zählen sie weniger als 300'000 Mitglieder (~3.8% der Bevölkerung). Dass sich die Politik immer weniger nach linken oder rechten Parolen definieren lässt, zeigt sich vorerst auf kommunaler Ebene: Still und leise entwickeln sich die "Parteilosen" landesweit zur stärksten Exekutivkraft des Landes. Dies ist die direkte Folge des Versagens der etablierten Parteien, der Schweiz zukünftige Szenarien und Strategien vorzudenken.
Gerade deshalb ist pragmatisch vorzugehen:
Gründung einer Basisbewegung aus dem Volk mit dem Ziel, die Reform der Schweiz heute an die Hand zu nehmen. Etablierung eines Thinktanks (Mobilisierung unverdächtiger Leaderfiguren) mit politischem, wirtschaftlichem, wissenschaftlichem und sozialem Hintergrund. Diskussionslenkung, Konzepterarbeitung, harte Arbeit. Kommunikationsmittel: interaktive Internetplattform EINS (Engagement für eine integrale und nachhaltige Schweiz), nach dem erfolgreichen Vorbild ORGANIZINGAMERICA von Barack Obama. Damit entsteht der direkte Draht zur interessierten Bevölkerung.