Glückliches Land im Herzen Europas, wo grosszügige Spender gratis alle 3,9 Millionen Haushalte rechtzeitig vor dem Nationalfeiertag mit einer rot-weissen, 20-seitigen „Zeitung“ beschenken! Die Partei des Mittelstands („Schweizer Qualität“) zeichnet dafür verantwortlich.
„Nun muss das Volk nach dem Rechten schauen!“, ermuntert der Parteipräsident die Leserschaft. Wie das? Indem es aus einem bunten Strauss von „Massnahmen“ jene ankreuzt, die es unterstützt. So einfach geht eine Volksbefragung. Angaben zu den Kosten dieser treuherzigen Kampagne mag der immer lachende Parteipräsident keine machen. Gehen wir deshalb getrost von einer Million Franken aus. Nicht weniger als sieben Mal suggeriert das „konkrete“ Foto der auf den Stammtisch niedersausenden Faust grossartige Wirkung. „Faust-Recht“ oder doch eher „Auch mir ein Bier!“?
Die „Befragung“ hält sich an die bewährten Regeln der politischen Kommunikationsprofis: 1. Das Problem muss so dargestellt werden, dass eine Mehrheit der Leserschaft die Botschaft als „wahr“ empfindet („Genau so ist es!“). 2. Die Fragen müssen so formuliert sein, dass eine Mehrheit der Leserschaft sie als entscheidend wichtig wahrnimmt („Hab’ ich doch schon immer gesagt!“). 3. Die Antworten müssen so suggeriert sein, dass die Angesprochenen verbal mit der Faust auf den Stammtisch hauen und im Brustton der Überzeugung ausrufen: „Wunderbar, jetzt reden wir!“. 4. Die Versprechen der Parteileitung müssen so formuliert sein, dass „die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes“ tief beeindruckt sind: „Sicherheit schaffen“ – „Tiefere Steuern für alle“ – „Null Toleranz“ – „Kriminelle hinter Gitter“ – „Mut zur Schweiz“.
Natürlich wissen die Parteistrategen, dass das hohle Versprechen sind, die niemand erfüllen kann. Doch darum geht es ja nicht. Genau so wenig geht es bei der gewählten und bewährten Problemdarstellung, den provokativen Fragen und den suggerierten Antworten um ganzheitliche, ausgewogene und vertieft dargestellte Schwierigkeiten, die unser Land ja tatsächlich beschäftigen. Es geht auch nicht um Werbung oder Reklame für eine politische Partei, sondern um eine „politische Information, die auch in jene Briefkästen gesteckt werden darf, auf denen sich ein Stopp-Kleber befindet“ (Zitat).
Nachdem die hehren Reden und Versprechen verklungen und der Bratwurstgeruch des Nationalfeiertags verduftet sind, bleiben da und dort Fragen zur Lage der Nation. Fragen besonnener Schweizerinnen und Schweizer, denen die steigende Einwanderung ins Land durchaus Sorge bereitet und die ein Interesse haben, dass darüber transparent diskutiert wird. Da sind jedoch auch die Fragen zur politischen Propaganda ganz generell. Seit den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts gelten dazu folgende erfolgreiche Hauptmerkmale: Beschwörung von „Katastrophen“ als nationale Schmach; unermüdliche Propaganda zwischen den Wahlen; nicht Argumentation, sondern Appell an Emotionen; wenige, ständig wiederholte Schlagworte und prägnante „Lösungen“ vornehmlich an die breite Masse gerichtet; populistische Massnahmen; Verbreitung von Angst; Verschwörungstheorie; lärmige Öffentlichkeitsarbeit, Instrumentalisierung aller politischen Instanzen und Medien; zentrale Rolle von Propaganda und Massen-Inszenierungen als Mittel zur Herrschaft (politischer Führungsanspruch) und ihrer Sicherung.
Welche Politik wollen sie, wollen wir?