Seit Jahrzehnten gewähren die Kantone einzelnen reichen Ausländern Pauschalsteuern, die de facto dazu führen, dass diese Privilegierten einen kleinen Bruchteil der Steuern entrichten, die Schweizerinnen und Schweizer mit vergleichbarem Einkommen/Vermögen bezahlen müssen. Dieses eigenartige Verständnis von Steuergerechtigkeit wird von einer Mehrzahl der kantonalen Finanzdirektoren auch heute noch als „sinnvoll“ bezeichnet.
Was heisst da sinnvoll? Da wird schon einmal der verfassungsmässige Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen verletzt. Ursprünglich konstruiert, um es wohlhabenden Ausländern im Rentenalter zu ermöglichen, ihren Lebensabend in der schönen Schweiz zu verbringen, ist dieses ehrenwerte Konstrukt längst zu einem Instrument der Steuerhinterziehung verkommen. Die „Besteuerung nach Aufwand“ hat zur Folge, dass die Glücklichen von Steuerrabatten von 90% und mehr profitieren. Rechtsstaatlich besonders stossend ist zudem, dass diese Personen im Widerspruch zum geltenden Ausländerrecht in den Genuss der erforderlichen Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung gelangen.
In der Schweiz gibt es mittlerweile über 5000 Pauschalbesteuerte, die zusammen 578 Mio. Franken Steuerertrag generieren (TA vom 6.7.2009). Durchschnittlich macht das gerade mal 115'000.-- Steuern aus. Allein die Kantone VD, VS, GE, TI bringen es auf 3558 solcher Superreicher (über 71%). Die kantonalen Steuerdirektoren sind zufrieden, dass sich die Vielfalt der kantonalen Steuersysteme bewährt und damit ein „Standortvorteil“ im internationalen Steuerwettbewerb erzielt werde. Mit solchen Aussagen wird den schweizerischen Steuerpflichtigen Sand in die Augen gestreut. Über die freundnachbarlichen Auswirkungen auf die Nachbarländer muss an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Die gleichen kantonalen Steuerdirektoren behaupten, die pauschal Besteuerten brächten der Schweizer Volkswirtschaft einen erheblichen Nutzen. Gemeint sind Investitionen, Konsumausgaben und Arbeitsplätze Auch mit diesen Argumenten werden wir Schweizer für dumm verkauft.
Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich haben dieses System durchschaut und die Pauschalbesteuerung für reiche Ausländer an der Urne abgeschafft. Fast ein Jahr später vermelden Boulevard- und Gratisblätter: „Die ersten Ausländer ziehen weg aus dem Kanton!“ Andere Kantone frohlocken: Jetzt haben die Züricher die Quittung! Wie immer, lässt sich ein Sachverhalt oberflächlich und verkürzt oder gründlich und ganzheitlich betrachten. Denn was sagt ein betroffener Gemeindepräsident am Zürichsee: «Zwei, drei sind tatsächlich weggezogen in die Nachbarkantone – in den betroffenen Liegenschaften sind inzwischen „normale“ Steuerzahler zugezogen; per Saldo generieren wir jetzt mehr Steuereinnahmen als vorher.»
Tatsächlich wohnen die Pauschalbesteuerten in allen Kantonen in sehr privilegierten Wohnlagen, oft an den Gestaden des Genfer-, Zürich- (Kanton Schwyz) und Zugersees. Sie besitzen dort grosse bis sehr grosse Prachtsgrundstücke, die sie für viele Millionen Franken gekauft haben. Dies war für sie ein Klack, denn diese Millionen sparten sie in ein bis zwei Jahren ein – zufolge Pauschalbesteuerung. Dieses „sinnvolle“ Steuersystem ermöglicht es den ausländischen Grundstückkäufern, problemlos doppelt so viel für „Primesites“ hinzublättern, als ein normaler Markt hergäbe und es drückt auch den ganzen übrigen Immobilienmarkt nach oben. Schweizerinnen und Schweizer schauen dem zu und finden das Ganze … sinnvoll.
Nun regen sich auch in anderen Kantonen die Stimmberechtigten. In Basel-Stadt, Thurgau, St. Gallen, Luzern, Zug, Appenzell Ausserrhoden, Schaffhausen, Waadt sind entsprechende Vorlagen in Vorbereitung. Sie haben das Spiel endlich durchschaut, und lancieren ihrerseits Initiativen zur Abschaffung der Pauschalsteuern. Da wird es wenig nützen, dass die aufgeschreckten Finanzdirektoren mit Zückerchen versuchen, die Pauschalsteuer zu retten. Neu soll das Sieben- statt das Fünffache des Eigenmietwerts einer Liegenschaft versteuert werden. »Die Initiative hat in unserem Kanton gute Chancen», äussert sich der Finanzdirektor des Kantons Thurgau. Hoffentlich – das Volk ist manchmal gescheiter als die Behörden.