Zuerst die Facts: Wie immer nach Wahlen in den Bundesrat – das Ritual ist mittlerweile 150 Jahre alt – kommt es dort zur Departementsverteilung. Die oberste Exekutive unseres Landes beschliesst das in eigener Kompetenz. So geschehen am 27. September 2010: Vier von sieben Departementen erhielten neue Vorsteher. Widmer-Schlumpf, die ausgewiesene Finanzexpertin wechselte ins Finanzdepartement, Leuthard ins UVEK. Die „Neuen“ erhielten, was übrig blieb: Sommaruga das Justiz- und Polizeidepartement, Schneider-Ammann das Volkswirtschaftsdepartement. Soweit könnte man zur Tagesordnung übergehen.
Dann aber die politischen Parteien: Mit einer Mischung aus Palaversucht, Selbstüberschätzung und Theatralik reagierten darauf die selbsternannten Hüter der eidgenössischen Politik. Die Parteipräsidenten Fulvio Pelli (FDP) und Christian Levrat (SP) inszenierten eine mediale Schlammschlacht ob der Zuteilung Sommarugas ins EJPD und wirkten dabei wie eine schlechte Kopie der Satiresendung Giacobbo-Müller. Statt eines Zickenkrieges erlebten wir während Tagen einen einfältigen Hahnenkampf.
Jetzt die Medien: Seitenweise wurde der „Krieg in Bern“ genüsslich heraufbeschworen, „ausser Rand und Band“ seien die Parteipräsidenten, von „der Bündnerin, die sich ins Abseits manövriert hätte“ wurde geschwafelt, als „Lügner“ der Eine, als „der mit der verlorenen Ehre“ der Andere tituliert. Kaum einen guten Faden liess ein Teil der Printmedien am Bundesrat. Skandale wurden gesichtet, als wäre dieses Gremium den Regeln eines Benediktinerklosters unterstellt.
Zuletzt das Stimmvolk: Landauf, landab Kopfschütteln. Es wundern sich jene Bürgerinnen und Bürger, die sich überhaupt noch für die helvetische Politik interessieren: was soll dieses Theater? Sie haben mit Recht mehr erwartet von den Exponenten der politischen Parteien und den Medien, die sachlich zu informieren hätten. Wieder wenden sich Menschen desillusioniert ab vom aktiven politischen Engagement, einmal mehr kündigen Leserinnen und Leser ihre Zeitungs-Abos. Was nicht mehr zeitgemäss ist, verliert seine Berechtigung.
Das solchermassen verbreitete politische Palaver hat natürlich noch weitere Schauspieler. Nicht zum ersten Mal droht z.B. der immer lachende Jungbauer aus dem Toggenburg mit markigen Worten, seine Volkspartei könnte den Gang in die Opposition erwägen, da die Konkordanz (von den andern) mit Füssen getreten werde. Abgesehen mal von der ohne Echo verhallenden leeren Drohung: Solche medial gross aufgezogenen Nichtigkeiten (no news) sind Gift für unsere Regierungsform, um die wir weltweit auch beneidet werden. „Ist ein Teil unserer Politiker und Medienleute von allen guten Geistern verlassen?“, fragt Leonhard Neidhard, emeritierter Professor für Politikwissenschaft kürzlich. Die Frage ist mehr als berechtigt. Gibt es in unserem Land tatsächlich immer mehr Exponenten dieser von Neidhard angesprochenen Gruppe, die unspektakuläres Verantwortungsbewusstsein mit marktschreierischem Sendungsbewusstsein verwechseln?
Unser Bundesrat untersteht nicht dem Parteidiktat, glücklicherweise! Also ist das ganze Lamento ebenso unverhältnismässig wie unnütz. Allerdings ist es längst nicht mehr zu übersehen, dass sich nicht wenige der politischen Hauptexponenten in fragwürdigen Spielchen (Taktik, Egoismus, Kindergarten) gefallen, statt sich dafür einzusetzen, wofür sie gewählt wurden: unsere Politik vorausschauend zu gestalten, zum Wohle aller.
Wenn dann, wie in letzter Zeit immer öfter, die Linke nach dem Vorbild der Rechten einen Populismus zu praktizieren beginnt und folgerichtig die beiden unversöhnlichen Aussenpole eben gemeinsames Spiel machen, sollten die Alarmglocken läuten. Diese unheilige Allianz (z.B. 11. AHV-Revision) ist der Schweiz unwürdig.
Wir könnten über all dies lachen und, nach dem Vorbild aus den USA – wo die beiden TV-Komiker Stephen Colbert und Jon Stewart als „die Journalisten, denen man am meisten vertrauen kann“ gelten – Satiriker von Beruf werden und sich die Lächerlichkeit der Politik zum Thema machen. Etwa mit dem Bonmot: „Es ist kein Problem, dass Sommaruga als Vorsteherin des EJPD keine Juristin ist. Als Christoph Blocher Justizminister war, hat man auch nichts davon gemerkt, dass er Jurist ist.“