Eigentlich wussten wir es schon längst: CO2-Ausstoss, Lärm- und Schadstoffemissionen schaden unserer Gesundheit. Autobahnausbau und Mehrverkehr sind also ein «Mehr desselben» (aus Paul Watzlawicks «Anleitung zum Unglücklichsein»). Nun zeigen interne Protokolle des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE), dass die Folgekosten des Autoverkehrs bisher nicht korrekt berechnet worden sind und wesentlich höher ausfallen als bis dato publiziert. Und jetzt?
4,9 Milliarden Franken sind viel Geld
In Zeiten, da das Thema Sparen in der Schweiz die Gemüter erhitzt und die eidgenössische Expertenkommission 60 Sparmöglichkeiten geortet hat – darunter die Nationalstrassen –, weht dieser Vorlage ein rauer Wind entgegen. Die geplanten Kosten von 4,9 Milliarden Franken (+ 500'000 Franken für bereits ausgegebene Planungskosten) werden erfahrungsgemäss mit Begründungen aller Art nach Beendigung der Bauarbeiten überschritten sein. Der Ausbau von sechs Autobahn-Abschnitten sollte eigentlich Engpässe und Staus beseitigen. Doch die Erfahrung zeigt, dass beide sich nicht so leicht in Luft auflösen – sie verlagern sich einfach.
Das Argument der Befürworter, der Verkehr nehme weiter zu und die Nationalstrassen wären deshalb an verschiedenen Stellen überlastet, ist keine stichhaltige Begründung. Dasselbe trifft auch auf Dutzende von Hauptverkehrsstrassen im Land zu. Wer zudem kopfschüttelnd die stillstehenden, kilometerlangen Autoschlangen vor dem Gotthardtunnel aus dem Zugfenster des mit 80 Stundenkilometer vorbeifahrenden Zug betrachtet, mag sich fragen, ob die Beseitigung von Staus überhaupt einem Bedürfnis entspricht.
Mit dem vorgesehenen Bundesbeschluss würden 400'000 Quadratmeter Kulturland vernichtet, aber auch weitere Flächen für den Naturschutz zerstört oder versiegelt – und das in Zeiten des fortschreitenden Artensterbens. Pro Natura äussert sich besorgt zur Vorlage: Die Folgen wären eine weitere negative Beeinflussung der Klimasituation, nicht zu reden von der Biodiversität, einer Grundlage für das menschliche Wohlergehen. Vertieftes Nachdenken über die Opportunität dieser Investition ist nicht abwegig.
Die externen Verkehrskosten
Es ist wahrlich nicht lustig, wenn eine neue Berechnungsmethode der externen Verkehrskosten aufzeigt, was früher ignoriert wurde. Denn bisher rechnete der Bund mit einem Satz von rund 140 Franken pro Tonne CO2, neu sind es, gemäss internen Protokollen, 430 Franken (NZZ am Sonntag). Die dafür benutzte Klimaformel stammt vom politisch unabhängigen kalifornischen Forschungsinstitut Resources for the Future und ist umstritten. Sie ist in den USA hochpolitisch und, wie die geharnischten Reaktionen der Schweizer Wirtschaft zeigen, auch bei uns heftige Kritik auslösend (dass Economiesuisse dazu gehört, erstaunt nicht wirklich).
Ehrlicherweise muss an dieser Stelle gesagt werden, dass wir Normalverbraucher nicht in der Lage sind, nachzuvollziehen, wer bei obiger Formel Recht hat, welche Methode korrekter, welcher Umrechnungsfaktor genauer ist. Schon gar nicht, ob etwas ideologisch gefärbt sind. Wir sind aber sehr wohl berechtigt, das Argument von Economiesuisse für ein Ja zur Vorlage auf die Waage zu legen – auch ihre Empfehlung, was gesellschaftlich und wirtschaftlich nachteiliger wäre. Dazu braucht es keine komplexe Formel: Tatsächlich können Abstimmende autonom darüber entscheiden.
Bundesrat Albert Rösti in der Zwickmühle
Dem Vernehmen nach wurde in Röstis Departementen hinter den Kulissen hin und her debattiert: Sollten diese neuen, seit wenigen Tagen bekannten Ergebnisse bis nach der Abstimmung vom 24. November 2024 geheim gehalten werden? Eigentlich war man sich jedoch bewusst, dass solche Zahlen sofort publiziert werden müssten. Noch im August hiess es dann, man wolle abwarten, und auch im September liess das UVEK den Zeitpunkt der Publikation offen. Dann kam alles anders: Das Generalsekretariat des UVEK entschied, die Zahlen vor der Abstimmung zu veröffentlichen.
Wer dieses Hin und Her beobachtete, konnte sich fragen, warum. Öffentlichkeits- und Transparenzgesetz gebieten eigentlich, schnell, transparent und neutral zu informieren. Hat schliesslich ein Bundesrat kalte Füsse bekommen?
Wie immer in unserem Land wächst in den Wochen vor einer eidgenössischen Abstimmung die politische Polarisierung. SVP-Politiker und ihnen nahestehende Wirtschaftsprofessoren kritisieren natürlich den Entscheid. Vielleicht werden wir noch vor der Abstimmung bei der offiziellen Präsentation des Zahlenwirrwarrs durch Albert Rösti aufgeklärt?
Befürworter und Gegner
SVP, FDP, die Mitte und Wirtschaftsverbände befürworten die Vorlage, SP, Grüne, GLP und Umweltverbände sind dagegen. Neben den oben aufgeführten Gründen argumentiert man dort damit, dass es zu weniger Unfällen und Ausweichverkehr käme und die Lebensqualität in ländlichen Regionen verbessert (?) würde. Hier erinnert man daran, dass man das viele Geld auch in dringendere Projekte investieren könnte und die ganze Übung natürlich im Widerspruch zu den schweizerischen Zielen im Klimaschutz stünden.
Wie immer bei solchen nationalen Urnengängen sind viele Argumente auf beiden Seiten gut begründet, andere eher Wunschträume oder schlicht Propaganda der involvierten Lobbyisten. Insgesamt – im Umfeld der hitzig geführten Diskussionen ums Sparen im Bundeshaushalt – gäbe es wohl in anderen Departementen dringenderen Bedarf an diesen fünf Milliarden Franken.