In Italien wählten nicht nur Ewiggestrige die Rechtspopulistin Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens), eine schrille Rechtspolitikerin. Sie ist die erste Premierministerin ihres Landes. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erhielten bei den Wahlen in Schweden im September 2022 über 20 Prozent der Stimmen. Ihr Leader Jimmie Äkesson jubelte. Ex-US-Präsident Donald Trump will 2024 wieder an die Macht. Er beabsichtigt in echt autokratischem Stil die Verfassung der USA aus den Angeln zu heben und das Land in einen Einparteienstaat zu verwandeln. Boris Johnson, der abgesetzte Premierminister Grossbritanniens, hinterliess gemäss Economist «wreckage» (Wrackteile) und ein «stricken country» (gebeuteltes Land).
Bella Italia
Nur 17 Monate dauerte die Regierungszeit Mario Draghis, des ehemaligen Chefs der Europäischen Zentralbank. Es war die 64. Nachkriegsregierung Italiens innert 77 Jahren. Passend zu diesem traurigen Rekord ist die wirtschaftliche Entwicklung Italiens: Innert gut 20 Jahren ist der Wohlstandsindex des Landes von 22 Prozent über dem EU-Durchschnitt auf 4 Prozent daruntergefallen.
In Europa beurteilt man diese Entwicklung mehrheitlich als sehr problematisch. «Die Wölfin im Schafspelz», wie man sie auch nennt, Giorgia Meloni, macht kein Geheimnis daraus, dass sie sich im gleichen Boot fühlt wie Ungarn und Polen – also rudert sie gegen Brüssel, wann immer die Grosswetterlage es zulässt. Nur wenn es um die Milliardengelder aus der EU geht, übertüncht sie vorübergehend ihre wahre Gesinnung. «Nazione!» ruft sie täglich ihren Landsleuten zu: Donald Trumps «Make America Great Again» als Wahlkampfmaschine ist für sie Vorbild; sie will ihr Land «risollevare» (wieder aufrichten) – darunter versteht sie die «Verteidigung der Heimat». Ein Begriff, der auch in vielen anderen Staaten (inklusive der Schweiz) von den Rechtspopulisten besungen wird – als stünde der Feind an der Landesgrenze.
Seit rund sieben Jahrzehnten hat Europa keine nationalistischere, rechtspopulistischere Regierung erlebt. Meloni Italien spalten. Das freut alle extremen Rechtskräfte Europas
Sverigedemokraterna (SD) im Aufwind
Konservative Kräfte verhalfen dieser rechtsextremen Partei bei den letzten Wahlen im September 2022 in Schweden zu einem weiteren Stimmen- und Machtzuwachs. Mittlerweile sind die Schwedendemokraten die erfolgreichsten Rechtspopulisten Skandinaviens. Diese bedenkliche Entwicklung wird – wie auch in anderen Ländern – verharmlost und beschönigt. Seit Oktober 2022 sind die Rechtspopulisten, also die Schwedendemokraten, erstmals in Schwedens Regierung vertreten.
US-Präsident Biden ein Staatsfeind?
Noch sind uns die Eskapaden des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in bester Erinnerung. Er, der seine Wahlniederlage 2020 nie akzeptierte, will 2024 erneut kandidieren. Nachdem 2022 Ermittler auf Geheiss der Justizbehörden Trumps Liegenschaft in Florida nach vertraulichen (geheimen) Dokumenten durchsucht hatten, bezeichnete Trump diese bösartig, unehrlich und krank. Den amtierenden US-Präsidenten nannte er im gleichen Atemzug einen Staatsfeind. Diese Sprache ist typisch für einen Rechtspopulisten.
Trump wurde im September von der New Yorker Staatsanwältin Letitia James zivilrechtlich verklagt. Sie, die über einen der Bestseller des ehemaligen Präsidenten schreibt: «The Art of the Deal» (Die Kunst des Deals) müsste eigentlich heissen «The Art of the Steal» (Die Kunst des Stehlens) (Tages-Anzeiger) – ob sie gegen die Armada von Anwälten, die Trump beschäftigt, erfolgreich sein wird? Wenn ein ehemaliger und eventuell zukünftiger Staatspräsident seit mindestens 40 Jahren den Rechtsstaat mit Wort und Tat bedroht, ist davon die ganze westliche Welt betroffen.
Mit anderen Worten: Trump ist eine Gefahr für die Demokratie. Von den USA – einst Vorbild für Schweizer Politiker bei der Ausformulierung der Schweizerischen Bundesverfassung 1848 – übernahm die Schweiz wichtige Elemente der US-Bundesverfassung von 1787/89: Zum Beispiel wurden die zentralen Menschenrechte (Bill of Rights) wie in den USA auch in der Bundesverfassung der Schweiz verankert. Würde Trump 2024 wieder als Staatspräsident gewählt, müsste man das Land wohl nicht mehr «Vereinigte Staaten», sondern «Autokratische Staaten» von Amerika nennen.
Soeben wurde der bekannte US-Rechtspopulist und Radiomoderator Alex Jones, - seit Jahren beliefert er sein Millionenpublikum mit eklatanten Falschnachrichten – von einem Gericht in Connecticut zu einer Busse von 965 Millionen Dollar verurteilt.
Grossbritannien, das gebeutelte Land
Der abtretende Premierminister Grossbritanniens hinterlässt ein gebeuteltes Land, so beschrieb der Economist im Juli 2022 die Situation im eigenen Land. Johnson sei das Opfer seiner eigenen Unehrlichkeit geworden und sein Fingerabdruck sei überall im heutigen Chaos sichtbar.
Klare Worte eines weltweit geachteten Magazins.
Inzwischen ist auch Johnsons Nachfolgerin Liz Truss nach 45 chaotischen Tagen im Amt zurückgetreten (worden) – ihr Nachfolger als Premierminister ist Rishi Sunak, Parteichef der Konservativen, ehemaliger Finanzminister und Sohn indischer Einwanderer.
Der Populismus funktioniert seit 2500 Jahren
Das Volk «glaubt» den Versprechungen populistischer Führer, die von sich behaupten, sie würden «das Volk» vertreten. Schon in der Antike funktionierte der Populismus. Sowohl im antiken Rom als auch im antiken Griechenland führte das Zusammenspiel von Volk und Volksverführern zur Erosion des Gemeinwesens.
Heute ist in Europa eine der Gemeinsamkeiten dieser politischen Rechten, dass sie sich in populistischer Manier sowohl gegen die andern (oft regierenden) Parteien als auch gegen die Europäische Union wendet. Auch wenn sich ihre Programme in verschiedenen Ländern stark unterscheiden, ist sie doch generell dem Konservatismus zuzuordnen. Rechtspopulistische Bewegungen sind in vielen Ländern Europas im Aufwind, etwa Marine Le Pen in Frankreich, die AfD in Deutschland, die polnischen Nationalisten, Viktor Orban in Ungarn.
Gemäss einer Statistik (statista.com) aus dem November 2021 betragen die Stimmenanteile rechtspopulistischer Parteien in
Ungarn (Fidesz) | 49,3 Prozent | |
Polen (PiS) | 43,6 Prozent | |
Italien (MSS) | 32,7 Prozent | |
Schweiz (SVP) | 25,6 Prozent |
Eine der Definitionen der Politikwissenschaft bezeichnet den Rechtspopulismus als Bewegung der extremen Rechten, die auf den sich akzentuierenden Zeitenumbruch (Globalisierung, gesellschaftlicher und ökonomischer Wandel) reagiert. Dabei spricht sie die Ängste der Bevölkerung vor der Modernisierung an, beantwortet die «Bedrohungen» mit klaren, einfachen und einseitigen Parolen und vergisst nie, den «anderen» die Schuld an allen Missständen und Unstimmigkeiten zu geben.
Kooperation statt Opposition
Zweifellos verändert die extreme Rechte – die Rechtspopulisten – die politische Landschaft in Europa. Absichtlich sage ich Europa und nicht EU, denn nicht alle europäischen Länder sind Mitglied der EU… Doch was wir alle in diesen Krisenzeiten dringend brauchen würden, sind Kooperationen auf allen Ebenen. Denn mit den Rechtspopulisten lassen sich auf der ganzen Welt keine Probleme lösen.