Ein Rückblick auf unbedachte Äusserungen, klägliche Lügen, falsche Versprechen, Lösungsvorschläge der absurden Art, und, und, und…Was Donald Trump in den vergangenen Monaten aus dem Weissen Haus twitterte, dürfte dereinst in Buchform als fiction publiziert werden. Sein Land, Amerika, schaut zu: fasziniert oder entsetzt.
Der Wirtschaftskrieg
Es begann mit Trumps glorreicher Idee, sein Versprechen «Make America great again» in die Tat umzusetzen, indem er Importe mit Strafzöllen versah in der Meinung, Amerikas Exporte dadurch zu stärken. Zuerst China, dann auch andere Länder bekamen das zu spüren. Der Wirtschaftskrieg begann.
Natürlich reagierten die solchermassen «feindselig» behandelten Staaten nach dem Prinzip «Wie du mir, so ich dir!» Nicht nur bröckelten jetzt die US-Exporte, sondern die einheimischen Farmer und Industriebetriebe mussten für die dringend aus dem Ausland benötigten Einzelteile oder z.B. Düngerprodukte plötzlich viel mehr bezahlen, was wiederum ihre Exportprodukte verteuerte. Seine Hilflosigkeit offenbarte Trump dann, als er seinen Bauern Zusatzsubventionen gewährte, um diesen Nachteil wettzumachen…
Inzwischen ist der weltweite Handelskrieg in vollem Gange. Die Show-Einlage Trumps mit dem im Januar 2020 ausgehandelten «China-Frieden» zementiert die bestehenden Hindernisse. Letztlich hat Trump das Gegenteil dessen, was er seinen Wählern versprochen hatte, erreicht.
Das Kurden-Drama
Indem Trump 2019 ohne Vorwarnung seine Verbündeten, die Kurden, in Syrien fallen liess und die amerikanischen Truppen abzog und damit augenblicklich die dortige fragile Situation zerstörte, trieb gemäss Economist 160'000 Menschen in die Flucht und kostete Hunderte von Opfern das Leben. Offensichtlich glaubte der eifrige Twitterer, er könne von heute auf morgen die US-Aussenpolitik um 180 Grad drehen ohne gravierende Konsequenzen, auch für die USA selbst. Seine Botschaft: «I hope they all do great, we are 7'000 miles away!» («Ich hoffe, es geht euch allen gut, wir sind 7'000 Meilen entfernt!») ist selbstredend und -entlarvend. Dieser Verrat an den Kurden hat zur Folge, dass Freund und Feind zukünftig Trump’s Amerika nicht mehr trauen können. Das allerdings sollte sowohl Amerika wie die Welt erschüttern. Dies alles, nachdem die Kurden 11'000 Soldaten im gemeinsamen Kampf gegen das IS-Kalifat verloren hatten (die US beklagten 5 Opfer). Und nicht zuletzt: der Iran, erbitterter Feind der USA, profitierte direkt von dieser desaströsen Fehlstrategie.
«Kill on demand»
Anfangs 2020 schlugen die USA auf Trumps Befehl gezielt zu: Per Drohnenangriff wurde der iranische General Qassim Soleimani aus Teherans Machtzentrum eliminiert, dessen Tod dürfte die brenzlige Situation im Nahen Osten weiter anheizen. Zweifellos war der Sonderkommando-General mit dem sanften Blick keineswegs ein unschuldiges Opfer. Wie Tage darauf bestätigt, strömten Tausende Iraner an dessen Beerdigung – er war eben ein vergötterter Volksheld. Einmal mehr offenbarte sich, dass Trump weder über eine Langfriststrategie, noch das nötige Augenmass für eine solide Aussenpolitik verfügt. Was, fragte der Tages-Anzeiger, wenn Trump, der seinen Wählern versprochen hatte, die amerikanischen Soldaten heimzuholen, jetzt riskierte, sie in neue, ferne Kriege zu verwickeln?
Der «Friedens-Einflüsterer» Trumps: Benjamin Netanjahu
Ebenfalls im Januar 2020 verlautete aus dem Weissen Haus, dass es Trump nach harter Arbeit gelungen sei, das Problem Israel/Palästina mittels seines genialen Friedenplans für immer zu lösen. Diese Trump’sche Wortwahl war bezeichnend für einen Rauchpetarden-Twitter, gerichtet an die Welt. Was offensichtlich war: die Friedensvariante stammte aus Netanjahus Küche, entsprach Trumps Freundes Wunsch-, respektive Illusionsliste. Sie basiert auf dem Fortbestand der jüdischen Siedlungen im Westjordanland – obwohl diese Situation gegen das Völkerecht verstösst. Diese, als «Zweistaatenlösung» deklarierte Aktion ist nicht nur ein Wortmissbrauch, sie ist einfach ein weiteres Kapitel in Trumps persönlicher Wiederwahlkampagne, gehören doch die proisraelischen Bevölkerungsteile in den USA zu den verlässlichsten Anhängern der Trump’schen Nahostpolitik. Treffend schrieb der Tages-Anzeiger: «US-Präsident Donald Trump verkauft seinen Friedensplan mit der Logik eines Immobilienmaklers, was er ja auch ist. Die Palästinenser sind die Geprellten, sie werden sich wehren.»
Ein korrupter Präsident?
Viele Menschen verstehen Amerika nicht mehr. Nicht nur die Eskapaden des gewählten Präsidenten, das zum Impeachment-Verfahren führte. Offenbar ist Donald Trump nicht willens oder in der Lage, zwischen öffentlichen und privaten Interessen zu unterscheiden, wie sein Verhalten in der Ukraine-Affäre schonungslos aufdeckt. Der scharfsinnige US-Historiker Thomas Frank hat sich im «Gespräch zum Jahresende» im TA klar und deutlich geäussert: «Unter Trump ist Korruption in kürzester Zeit zur Normalität geworden. Das ist sein Vermächtnis.»
Frank zeigt sich aber auch erstaunt über das Verhalten der Republikaner, wie sie alles abstreiten, was bewiesenermassen Trump belastet. Und die Gesellschaft? «Die Leute Wählen sich ihr ideologisches Lager aus, als wäre alles nur ein Spiel.»
Ideologie statt Politik? Ziemlich niederschmetternd.
Konservative Baptisten als treue Supporter
Wir erinnern uns: 80 Prozent der weissen Evangelikalen stimmten 2016 für Trump als Präsidenten, ein Viertel der Amerikaner gehört einer evangelischen Kirche an. Warum unterstützen sie Trump auch heute noch, nach all den Debakeln? Natürlich: Trump hat eine Rekordzahl konservativer Richter ernannt, die allesamt den Zugang zu Abtreibungen einschränken wollen. Und natürlich ist auch Trumps Israel freundliche Haltung mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt gern gesehen, «setzt es doch ein altes Anliegen der Evangelikalen in die Tat um», schreibt der TA-Korrespondent. Das beigefügte Bild mit Trump und Vize-Präsident Pence beim Gebet im Oval Office, mit geschlossenen Augen und ernsten Mienen, zusammen mit dem Baptisten-Pastor Jeffress, spricht Bände.
Trumps Wiederwahl im November 2020?
Letztlich führte der offensichtliche Machtmissbrauch (Ukraine) zum Impeachment, das sich über Wochen hinzog, von den hilflosen Demokraten akribisch vorgeführt, von den Republikanern gelangweilt «als Farce» erduldet. Von Anfang an gaben politische Beobachter diesem nur in äussersten Notfällen angewendeten Verfahren keine grossen Chancen. Illusionslos bezeichnete der Verfassungsrechtler und Impeachment-Experte Laurence Tribe, Professor an der Harvard Universität, dieses Verfahren als letzten Ausweg aus der Krise, «die Voraussetzungen dafür seien gleich zweimal gegeben» (NZZ). Am 5. Februar 2020 stand fest, dass dieses Verfahren von den geschlossen auftretenden Republikanern abgeschmettert worden war.
Es darf angesichts der eigentümlichen Situation in den USA damit gerechnet werden, dass Trump auch diese Episode «unbeschadet» überstehen und die Wahlen im November 2020 gewinnen wird. Dafür sind die Demokraten mit ihrem verworrenen, elitären Kurs und vor allem auch mit ihren Präsidentschaftsbewerbern mitverantwortlich. Bezeichnend dafür wars Trumps Wut-Brief an die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi: «Er ist ein historisches Dokument des Trumpismus. Der US-Präsident verdreht Tatsachen, lügt, plustert sich auf, benennt aber auch unangenehme Wahrheiten für die Demokraten» (NZZ am Sonntag).
Das Vertrauen in dieses grossartige Land ist weltweit im Sinkflug begriffen. Leider.