Täglich hören oder lesen wir von neuen, digital getriebenen Erfindungen, von risikoreichen Start-ups und … gigantischen Flops. Megatrends verändern unseren Alltag: Die Welt von morgen entsteht vor unseren Augen.
Start-ups: Top oder Flop?
Alle kennen wir Facebook oder Amazon. Auch sie waren einst Start-ups, heute sind sie so gross und mächtig, dass sich die Politik weltweit Gedanken machen muss, wie sie deren Allmacht „in den Griff“ bekommen könnte. Es sollen mittlerweile rund 100 Millionen Start-ups sein, die weltweit jedes Jahrs gegründet werden, bescheidene 300 davon in der Schweiz, immerhin fast einen täglich. „Swiss Startup Radar“ führt Buch über die einheimische Entwicklung und fördert wissenschaftsbasierte Innovationen im Interessen der schweizerischen Industrie und Gesellschaft (startupticker.ch).
An der Schwelle zum Neuen Jahr werfen wir einen Blick auf diese hochspannende Szene. In der Schweiz entstehen sie vor allem im Umfeld der ETH und EPFL, nicht überraschend vor allem in Softwareentwicklung, Life Sciences und Medizinaltechnik (Pharma, Raum Basel). Stehen einmal aufregende, vielversprechende Ideen im Raum, heisst es Geldgeber zu finden – man nennt sie auch „Business Angels“.
Nachstehend zwei Beispiele, stichwortartig verkürzt und subjektiv ausgewählt:
- „MindMaze“ (think. unlock. connect). Erhöht das Gesundungspotenzial von Patienten während der Pflege im Spital – z.B. nach Schlaganfall - durch MindMotion™, der Neurorehabilitation-Plattform an der Schnittstelle zwischen Neurowissenschaften und Technologie (mindmaze.com).
- „Get your Guide“ (Die neue Art zu reisen). Millionen Menschen nutzen GetYourGuide, um ihre Reiseträume zu verwirklichen. Die Plattform verbindet Menschen mit den Orten, die sie besuchen möchten, damit jeder seine ganz eigene Traumreise gestalten kann (getyourguide.de)
Dass Start-ups oft im Konkurs enden, ist eine Tatsache. Nicht selten ist das auf mangelnde Erstfinanzierung zurückzuführen. Während in den USA eine oder sogar mehrere Liquidationen eher als Erfahrungsschatz bewertet werden, tönt das in der Schweiz nach einer Pleite oft ganz anders. Als Faustregel gilt, dass von zehn Start-ups sieben bis acht nicht überleben (NZZ Folio).
Zukunftsbeweger
Zukunftsbeweger werden sie genannt. Es sind jene Firmen, die frühzeitig auf weltweite Megatrends reagieren und Lösungen für globale Herausforderungen entwickeln. Was sie auszeichnet: Sie erkennen überholte Geschäftsmodelle und ersetzen diese durch zukunftsorientierte, neue Konzepte (globalance):
- AltspaceVR (altvr.com)
Das kalifornische Start-up AltspaceVR bietet Software für Konferenzräume in der virtuellen Realität, in denen Benutzer und Benutzerinnen Gespräche führen, Videos ansehen, Spiele spielen und im Internet surfen können (gehört heute zu Microsoft).
- Equinix (equinix.ch)
Das US-Unternehmen hat sich auf den weltweiten Betrieb von Rechenzentren spezialisiert. Da sich die Datenmenge im Internet alle zwei Jahre verdoppelt, hilft die energieeffiziente Technologie den Kunden viel Strom zu sparen und garantiert Service-Verlässlichkeit.
- Planted Food AG (planted.ch)
Der Schweizer Start-up liegt mit seinen pflanzlichen Fleischersatzprodukten voll im Trend. „Du bestellst bis 12 Uhr mittags, wir liefern es Dir frisch am nächsten Tag bis spätestens 9 Uhr nach Hause. Ab 2 Einheiten (CHF 39) gehen die Lieferkosten in der Schweiz auf uns.“ Das von ihnen produzierte Poulet wird aus pflanzlichen Zutaten hergestellt.
Innovationen
Technikhistoriker sprechen von „Ideenpraxis“, wenn sie von Innovationen sprechen. „Durch praktisches Tun entwickelt sich etwas Neues. Der Geistesblitz ist sehr selten“, sagt Dagmar Schäfer, Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin (DIE ZEIT). Früher nannte man das auch ganz banal Erfindungen. Auch hier einige interessante Beispiele:
Für die Akzeptanz von Elektroautos ist die Ladezeit eminent wichtig. Jetzt haben amerikanische Forscher der Penn State University eine Batterie für extremes Schnellladen entwickelt. Die Batteriezelle lässt sich unabhängig vom Wetter innerhalb von nur 10 Minuten auf 80 Prozent aufladen und übersteht 2500 solcher Ladezyklen (NZZ am Sonntag).
Stockholmer Tech-Unternehmen gründeten einen Start-up, genannt „Dorfladen 2.0“. Sie richten in ganz Schweden unbemannte Shops für die Deckung des täglichen Bedarfs ein. Es sind 22 Quadratmeter grosse Container, in denen rund 500 umsatzstarke Produkte angeboten werden, basierend auf einer App mit Echtzeit-Abrechnungen (NZZ).
„Innerhalb weniger Jahrzehnte wird mehr als die Hälfte der weltweiten Energie durch Informationstechnologien verbraucht“, warnt Nicola Spaldin, Materialwissenschaftlerin an der ETH Zürich. Heute leben wir noch im „Siliziumzeitalter“, doch dessen Ende naht. Deshalb forscht Spaldin an einem Ersatz und stellt im Labor „Multiferroika“ her, einer neuartigen Klasse von Substanzen, die auf magnetische und elektrische Felder reagiert – Resultat: zukünftig werden sich Daten energieeffizienter und ultraschnell speichern lassen (TA).
Der schwedische Haferdrink-Produzent Oatly setzt sich ein für Nachhaltigkeit und kämpft gegen den Klimawandel. Seine „Milch von morgen“ verursacht nur noch einen Fünftel an Treibhausgasen, verglichen mit der traditionellen Kuhmilch. Dieser Milchersatz basiert auf Hafer, Soja und Mandeln. Das Produkt entwickelt sich zum Albtraum der Milchbauern (DIE ZEIT).
Neue Ideen haben es schwer
„Nichts ist beständiger als der Wandel“, dieser lapidare Spruch wird dem Philosophen Heraklit nachgesagt, er ist somit rund 2500 Jahre alt. Doch wir Menschen tun uns nach wie vor schwer, Neues rechtzeitig zu erkennen, globale Umbrüche wahrzunehmen. Zu sehr sind wir mit dem Gewohnten vertraut, zukünftiges scheint unbewiesen, irreal, oft auch unerwünscht. Oder hätten Sie vor zwei Jahren erwartet, dass ein einzelnes schwedisches Mädchen die weltweite Klimabewegung 2019 auslösen würde?
An der Schwelle zum Neuen Jahr werden gute Vorsätze gefasst. Einer könnte sein, persönlich tatkräftig Innovationen zu unterstützen, die klimaverträglicher und umweltfreundlicher sind als alten, überholten Gewohnheiten es waren.