Meine Prognose seit 2009 lautet: spätestens 2014! Doch alles der Reihe nach. Vorab die makroökonomische Definition des immer wiederkehrenden Musters: Steigen die Preise für ein Produkt bei hohen Umsätzen über seinen inneren Wert, bildet sich die Spekulationsblase. In dieser Periode tendieren Menschen dazu, dem Herdentrieb zu folgen, Gefahrensignale zu missachten und auf Blasen (die sie nicht wahrhaben wollen) zu setzen. Oft überschulden sie sich dafür – auch das gehört zum Muster.
Endlos reihen sich seit Jahrhunderten Spekulationsblasen aneinander. Schon zu Julius Cäsars Zeiten soll es in Rom einen Immobiliencrash gegeben haben. Aus späteren Zeiten kennen wir Aktiencrashs mit verheerenden Folgen. Neben diesen beiden Hauptfeldern für Spekulationsblasen erlebten wir in den letzten Jahren ein atypisches Novum. Auf vergleichsweise engem Raum entwickelte sich für das „Produkt“ Top-Führungskraft in der Wirtschaft weltweit eine spektakuläre Vergütungsblase.
Warum muss jede Generation aufs Neue und auf schmerzliche Weise lernen, durch grosse Verluste gescheiter zu werden? Warum ziehen wir keine Lehren aus der Vergangenheit? Auf der Suche nach Erkenntnissen, wie die Wirtschaft funktioniert, stiessen Ökonomen schon 2001 auf einen wichtigen Grund. Der „rationale“ (Typisierung seit dem 17. Jahrhundert) Mensch, verhält sich zu oft - irrational. Denn den Denkmustern der Menschen liegen Ideen und Gefühle zu Grunde. Ökonomisch handeln hat immer auch mentale Ursachen. Daraus resultiert der „irrationale Überschwang“. Für diesen Befund erhielten George A. Akerlof und Robert J. Shiller 2001 den Wirtschaftsnobelpreis.
Überraschend simpel formuliert Prof. R. Shiller das auch 2012 wie folgt: Der Mensch hat eine Tendenz, sich von „Geschichten“ unverhältnismässig beeindrucken zu lassen und er hat ein übertriebenes Vertrauen in die eigenen Überzeugungen. Dazu kommen in Boomphasen gesteigerter Optimismus und gefährliche Selbstgefälligkeit. In einer stillen Stunde können wir darüber nachdenken.
Zurück zum Anfang. Meine Prognose bezieht sich auf die Immobilienblase in der Schweiz. Seit Ende 2011 mehren sich die Anzeichen einer Überhitzungsgefahr. Im Boomquartier Zürich West werden über tausend neue Wohnungen angeboten. Im Glattpark (Opfikon) wird bis 2017 eine Milliarde Franken verbaut. Im ganzen Grossraum Zürich sind für 2013 und 2014 je rund 200‘000 m2 Büroflächen geplant. Die Verkaufspreise für mittlere Wohnungen haben sich in Zürich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Allein in den letzten fünf Jahren stiegen die Preise in Kilchberg um 53 Prozent. Bei den in Aussicht gestellten Gewinnen mit Immobilien verfallen die Promotoren auf skurrile Ideen: Kurzerhand wird hier die gute alte Quartierbezeichnung „Breitloo“ in „Sun Hill“ umgetauft. Die rekordtiefen Hypothekarzinssätze beflügeln die Fantasie.
Der Immobilien-Monitor ortete im Oktober 2012 bei 118 Gemeinden in der Schweiz eine sehr grosse Überhitzungstendenz. Das Risiko einer Preiskorrektur, resp. eines Wertverlusts, steigt damit drastisch. Der Immobilienblasen-Index der UBS veröffentlichte im November 2012 eine Fieberkarte, auf der das grösste Risikopotenzial dunkelrot eingefärbt ist. Wie formuliert ein anderer Nobelpreisträger für Wirtschaft, Josef Stiglitz, diese Entwicklung im Rückblick auf die Immobilienblase in den USA: „Da das Vermögen der Haushalte [..] zu einem Grossteil auf dem Marktwert ihrer Immobilien beruhte, handelte es sich letztlich um ‚Scheinvermögen’, das auf den spekulativ aufgeblähten Immobilienpreisen basierte. Die Immobilienblase erzeugte einen Nachfrageboom, der den Anschein erweckte, alles wäre in Ordnung.“
Nachdem die Nationalbank zum x-ten Mal vor den Risiken des Häusermarktes warnte, dachte der Bundesrat vorerst einmal laut darüber nach, ob ein Instrument geschaffen werden sollte, um Immobilienblasen zu bekämpfen. Denn in unserem Land ist die Abhängigkeit vom Hypothekarmarkt extrem gross. 800 Milliarden Franken haben die Banken in ihren Büchern stehen. Das neue Instrumentarium sollte das eklatante Defizit bei der SNB zum Verschwinden bringen: „Makroprudenzielle Aufsicht“, im Speziellen „Antizyklischer Kapitalpuffer“, heisst das Ding, das strengere Vorschriften bei der Vergabe von Hypotheken einführen soll. Beim Tempo im Bundeshaus in Bern dürfen wir gespannt sein, ob und wann, was entschieden wird – gegen den Willen der interessierten Marktteilnehmer, natürlich. Wen überrascht es da, dass Bankiervereinigung, Grossbanken, SVP und FDP schon mal prophylaktisch vehement dagegen sind?
Die Bank of Japan errechnet – aufgrund der schlechten Erfahrungen im eigenen Land – den „Toxischen Cocktail-Index“ für den Immobilienmarkt. Berücksichtigt werden der demografische Trend eines Landes, die Kreditvergaben und die Immobilienpriese. Zwar gibt es diesen Index für die Schweiz nicht, doch aufgrund von UNO-Hinweisen zeigen auch für die Schweiz die Zeichen auf Sturm.
Vimentis, die politische Informations- und Diskussionsplattform, sprach im Dezember 2012 – wie gewohnt sachlich und neutral – von „Indizien, die auf eine Überbewertung von Immobilien und die Entstehung einer spekulativen Blase hindeuten“. Sie basiert ihre Aussage auf dem Verhältnis theoretischer Mietertrag/Kaufpreis, ein Index, der laufend und kontinuierlich ansteigt. Schliesslich hat sich anfangs 2013 auch Thomas Straubhaar aus Hamburg gemeldet. Er stuft die Gefahr einer Blase schlicht als sehr hoch ein.
Immobilienblasen, Börsenblasen, Nahrungsmittelblasen, ja, in neuester Zeit auch eigentliche Managerblasen; sie alle sind Spekulationsblasen. Sie lassen erahnen, dass die hohe Verfügbarkeit an Liquidität im Finanzsystem und der menschliche Drang nach immer höherer Rendite sich gegenwärtig hochschaukeln. Ist das jetzt ein Beleg für fehlende Markteffizienz? Oder für das Versagen unserer Finanzinstitute bei der zuverlässigen (konservativen) Bewältigung grundlegender wirtschaftlicher Probleme? Oder gar, wie Shiller trocken meint: Eine Spekulationsblase unterscheidet sich insofern von einer Geisteskrankheit, als sie ein soziales Phänomen ist – das Ergebnis einer Interaktion überwiegend normaler Menschen in grosser Zahl.
Wirtschaftshistoriker können ein Lied davon singen, wie den verheerenden Bankenkrisen jeweils eine Immobilienblase voranging, zuletzt in Irland und Spanien. Warum sind Illusionen stärker als die Vernunft?