Die Klimadebatte betrifft uns alle. Wer sie für politische Spielchen missbraucht oder als Modeströmung bezeichnet und dabei die Wissenschaftler auf der ganzen Welt lächerlich macht, hat eine eigenartige, selektive Wahrnehmung.
Klimadebatte – eine Modeströmung?
Die Antwort des renommierten ETH-Professors auf die weisen Worte Roger Köppels (SVP) lässt an Deutlichkeit nichts vermissen: „Über 100 Jahre physikalisches Verständnis, 100 Jahre Beobachtungen, über 50 Jahre Forschung, 30 Jahre IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) Klimaberichte, zehntausende von Studien, die ein immer klareres Bild zeigen. Tönt nicht gerade nach einer Modeströmung…“
Globaler Rekord seit 2000 Jahren
Obige Tatsachen werden vom Forscherteam um Raphael Neukom vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung an der Universität Bern (OCCR - oeschger.unibe.ch) ergänzt. Demnach herrschte im 20. Jahrhundert auf mehr als 98 Prozent der Erdoberfläche die wärmste Phase – ganz im Gegensatz zu früheren Erwärmungsperioden, die jeweils nur einen Teil der Erde betrafen.
Dr. Thomas Stocker, Präsident dieses weltweit bekannten Forschungszentrums, äussert sich einfach und eindrücklich: „Wir konzentrieren uns auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Menschen und Ökosysteme und denken über die sozialen Dimensionen dieser bisher nie dagewesenen Veränderungen nach. Wir leisten damit einen Beitrag zum Themaschwerpunkt „Nachhaltigkeit“ der Universität Bern. Unsere Forschung befasst sich mit vergangenen Klimaänderungen und Umweltbedingungen, sie bildet den Kontext zum Verständnis der Gegenwart und ermöglicht die Beurteilung künftiger Veränderungen.“
„Smile for Future“
Die Universität Lausanne war vom 5. - 9. August 2019 Tagungsort junger Klimaaktivisten, die sich „Smile for Future“ auf die Fahne geschrieben hatten. Genauer: Rund 450 junge Menschen aus 38 europäischen Ländern hatten sich eingefunden, um an Konferenzen, Workshops und Plenarsitzungen darüber zu debattieren, wie sie sich global zusammenfinden und organisieren könnten. Ziel war es, ihren Protest international zu koordinieren.
Auch wenn die Medien eine Person zum Aushängeschild hochgeschrieben hatten, die diese Ehrung gar nicht suchte – die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg steht eben als Symbol einer Bewegung der Jugend, die mit Schulstreiks („Fridays for Future“) erfolgreiche Wiederbelebungsversuche startete, zu einem Thema, das die Politik seit Jahren „bearbeitet“. „Greta“ dient inzwischen den Medien als „Attention-Getter“, damit schubsen sie das junge Mädchen in eine Rolle, die sie gar nicht will. So weiss etwa die NZZ zu berichten: „Klima-Ikone mit begrenzter Wirkung“. Weise wie es sich für die NZZ gehört, macht das Blatt darauf aufmerksam, dass „die Welt noch viele andere Probleme wie Krieg, Armut oder Migration hat“ […] Greta taugt als Symbol, aber sie ist kein Vorbild zur praktischen Problemlösung“ (NZZ).
Der Greta-Hype
Wo immer „Greta“ auftaucht, fokussieren sich die Journalisten-Augen sogleich auf das zarte Mädchen und palavern seitenlang über die Person statt über das Problem. Was da innerhalb einer Woche für Weisheiten den Weg in die Schlagzeilen gefunden haben, ist schon erstaunlich, u.a.: „Die Begeisterung für Greta Thunberg erweist sich als Kehrseite des Populismus à la Trump“ (TA). „Wer ständig moralisiert, handelt verantwortungslos“ (sonntagszeitung). Oder dort, wo immer schon gern moralisiert wurde: „Die Jungen treten in Sachen Klimaschutz hemdsärmelig selbstbewusst auf und werden dabei von Medien, Politik und Eltern hofiert. Dabei haben sie nicht verstanden, dass der Generationen-Deal insgesamt brüchig ist“ (NZZ).
Jener zitierte Satz Kafkas „Es ist ein Privileg der Jugend, die Welt zu verändern“, wird durch den Journalisten moralisierend ergänzt: „doch aus dem Privileg folgt noch nicht automatisch der Blick auf das ganze Bild“ (NZZ). Gemeint sind damit die „Klima-Kids“, noch eine abwertende Bezeichnung für die engagierte Jugend. Meine Gegenfrage: Wer hat denn in den letzten fünfzig Jahren bewiesen, dass er den Blick aufs ganze Bild hat? Jedenfalls nicht die Mehrheit der zwei Generationen älterer Menschen, die uns die Suppe eingebrockt hat und uns jetzt Gabeln verteilt, um sie auszulöffeln.
Endlich, endlich handeln!
Die Botschaft, verkündet an der Pressekonferenz vom 5. August 2019 an der Uni Lausanne, mit Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome und Jacques Dubochet, Schweizer Nobelpreisträger in Chemie. „Was Greta fordert, darauf macht die Wissenschaft seit mehr als 30 Jahren aufmerksam: den Ausstieg aus den fossilen Treib- und Brennstoffen.“ Folgerichtig antwortet das fragil wirkende Mädchen auf die Frage, was sie den rechtsbürgerlichen Politikern antworte, die sie als gefährlich einstuften: „Was ist daran gefährlich, wenn ich nur sage, was die Wissenschaft weiss?“ (TA).
An dieser Stelle sei ein Abstecher in die Finanzwelt erlaubt: Den Ausstieg aus den fossilen Treib- und Brennstoffen (Benzin, Kerosin, Heizöl als bekannteste Produkte) fordern zukunftsorientierte Kreise, auch Banken, seit Jahren. Solange Investmentgruppen und Grossbanken weiterhin Papiere der Erdölkonzerne stützen und deren Kauf explizit empfehlen, fragt sich manch Einer, wann diese Botschaft in diesen Kreisen endlich ankäme, respektive warum nicht. Tatsächlich spräche nichts dagegen, Wirtschaftswachstum dort zu generieren, wo dieses unabhängig ist vom Verbrauch fossiler Brennstoffe. Dass solche Investments zugleich zukunftsverträglich sind, zeigt sich in der Tatsache, dass die Börsenwerte von Firmen, die weniger CO2 ausstossen als ihre Konkurrenten, um über fünf Prozent pro Jahr besser rentieren. „Dekarbonisierung“ als Beitrag gegen die Klimaerwärmung ist ein Trend, dem die sogenannten „Zukunftsbeweger“ unter den Konzernen folgen: Sie reagieren erfolgreich auf die weltweiten Megatrends und entwickeln Lösungen für die globalen Herausforderungen.
Wissen statt glauben
Immer wieder haben die jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten mit jenen (bezahlten?) Fake-News-Erfindern zu kämpfen, die behaupten, die ganze Bewegung wäre aus dem Hintergrund gesteuert. Aus den USA ist längst bekannt, wer dort für solche Fake-News aufkommt. Es sind sogenannte „Think-Tanks“ (Bsp. das Koch-Imperium), die im Auftrag der Erdöllobby seit Jahrzehnten für Millionen von Dollar jährlich längst widerlegte Lügen verbreiten. Dagegen gibt es keine Lobby hinter den Jugendlichen, die sich selbst lenken und jetzt versuchen, die unterschiedlichsten Ansätze zu koordinieren, um so grössere Wirkung zu erzielen.
Vielleicht hilft der Ratschlag unsicheren Leserinnen und Lesern, wenn sie sich fragen, ob diese oder jene Geschichte „wahr“ sei („wem kann man noch glauben?“): Wissen wir aufgrund bewiesener Facts etwas oder glauben wir zu wissen? Der Unterschied: Glauben reicht nicht.
Nationale Klimademonstration am 28. September 2019 in Bern
Die National- und Ständeratswahlen vom 20. Oktober 2019 im Auge, organisiert die Klima-Allianz Schweiz am 28. September 2019 eine nationale Klimademonstration in Bern. Gemeinsam wollen sich die Teilnehmenden dafür stark machen, dass es in der Politik endlich vorwärts geht mit dem Kampf gegen Umweltsünder. Taten statt Worte sind tatsächlich von Nöten. Dazu gehört eben z.B. der Ausstieg aus den fossilen Energien, eine Forderung, die spürbar, machbar und sogar kurzfristig realisierbar ist. „Es geht um nichts weniger als um die Zukunft unserer Lebensgrundlagen!“ rufen sie dem Publikum, den Medienkonsumierenden und - nicht zuletzt – den verbissen um einen Sitz im National- oder Ständerat Kandidierenden Damen und Herren zu. Auch jenem im Kanton Zürich, der seine Märchenerzählungen persönlich in jedem Dorf des Kantons zum Besten gibt.